Bericht der Geschäftsführerin
Der rote Faden: die unbezahlte Care-Arbeit
Wir blicken auf ein arbeitsintensives Jahr zurück. Bei meinem Versuch, unsere Aktivitäten zu bündeln, ist mir aufgefallen, dass ein roter Faden unsere Aktivitäten verbindet: die unbezahlte Care-Arbeit.
Care-Arbeit
Care-Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen sind gesellschaftlich wichtige Aktivitäten und Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden des Menschen sowie einer funktionierenden Gesellschaft und Wirtschaft. Da die Care-Arbeit meist unbezahlt ist und vorwiegend bei den Frauen hängen bleibt, wirkt sich diese auf die Lebensumstände der Frauen aus. Da die meisten Frauen neben der Care-Arbeit auch einer Erwerbsarbeit nachgehen, führt dies zu Doppel- und Mehrfachbelastungen. Die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern wirkt sich auch nachteilig auf die Lohn- und Karriereentwicklung, auf die verfügbare Freizeit und auf die Gesundheit der Frauen aus. Eine faire Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern ist der zentrale Punkt, um die sich die Gleichstellung dreht.
Weil sich die Care-Arbeit in der Altersvorsorge der Frauen niederschlagt, (der Gender Pension Gap beträgt 40%,) veranstalten wir alle zwei Jahre Informationsveranstaltungen zur finanziellen Altersvorsorge. Neben Infoveranstaltungen zur ersten (AHV) und zweiten Säule (PK) informieren wir auch über Anlagestrategien, weil finanzielle Lücken, die durch die Care-Arbeit entstehen, nur mittels privater Vorsorge geschlossen werden können.
Eine ungleiche Einkommenssituation drängt Frauen oftmals in eine ökonomische Abhängigkeit, was dazu führt, dass sie in einer Beziehung bleiben trotz häuslicher Gewalt. Beim Treffen im Februar mit der GREVIO-Expertengruppe konnten wir unsere Erfahrungen aus dem Beratungsalltag einbringen. Der erste Bericht zur Bewertung der Umsetzung der Istanbul-Konvention liegt vor.
Als Mitglied der Konferenz Chancengleichheit Ostschweiz und Liechtenstein haben wir am Positionspapier «unbezahlte Care-Arbeit in der Ostschweiz und Liechtenstein» mitgearbeitet. Siehe Seite 12. Neben Empfehlungen und Forderungen an die Politik, Wirtschaft und Unternehmen ist auch die Gesellschaft gefordert. Eltern werden angehalten, die Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit fair aufteilen was zu mehr gegenseitigem Verständnis und Wertschätzung führt.
Die unbezahlte Care-Arbeit war auch ein zentrales Thema am feministischen Frauenstreik im Juni, wie das Manifest und auch die Petition zur Elternzeit und Care-Arbeit deutlich zeigt. Die infra war massgeblich an der Ausarbeitung des Manifests und der Petitionen beteiligt.
Stellungnahmen
Die unbezahlte Care-Arbeit findet sich auch in unserer Stellungnahme zur Elternzeit, denn mit dem Verbleib der Mütter im Erwerbsleben wird die Voraussetzung für eine eigenständige Existenz- und Alterssicherung geschaffen, was direkt gegen die vorwiegend weibliche Altersarmut wirkt. Ausserdem haben wir uns zur Altersstrategie der Regierung geäussert sowie in einer Stellungnahme zur Ehe für alle. Unsere Stellungnahmen finden Sie hier.
Wir stellten die letzten Jahre einen Anstieg an Beratungen rund um das Konkubinat fest, weswegen wir unseren Konkubinatsratgeber überarbeitet haben. Die Neuauflage informiert über die geltende Gesetzeslage und zeigt Möglichkeiten auf, die Beziehung mit einem Konkubinatsvertrag fair zu regeln und für die Zukunft vorzusorgen. Den Ratgeber finden Sie hier.
International
Wir schauen auch über die Grenzen hinaus. Frauenrechte sind europaweit unter Druck, aber besonders in Polen. Nachdem wir 2020 an einer virtuellen Konferenz zu Frauenrechten in Europa teilnahmen, lernten wir Frauenrechtsorganisationen aus Polen kennen. Zusammen mit der Botschaft in Brüssel organisierte die infra einen Studienbesuch in Liechtenstein. Ziel des zweitätigen Austausches war der Dialog mit diversen Akteurinnen und Akteuren in Liechtenstein.
Am 1. Oktober erhielten wir Besuch des Frauenchors GOODWEIBS aus Bremen. GOODWEIBS brachten «good vibes» nach Liechtenstein. Mit ihrem Benefizkonzert zugunsten der infra und der Familienhilfe haben die Frauen aus Bremen unsere Herzen berührt. Wir bedanken uns nochmals für die Spende!
Geschäftsstelle und Vorstand
Das neue Projekt der Stiftung Erwachsenenbildung «Digitalisierungsstrategie in Bildungsinstitutionen» hat uns den Anstoss gegeben, unsere internen Prozesse zu überprüfen. Die Geschäftsstelle hat sich im November mit dem Vorstand zu einem Strategieworkshop getroffen um zu überprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und um Handlungsfelder für die nächsten Jahre zu definieren.
Auf der Geschäftsstelle kam es Ende Juni zu einem Wechsel. Corina Vogt-Beck kehrte in ihren angestammten Beruf als Journalistin zurück. Wir bedanken uns bei Corina Vogt-Beck für die gute Zusammenarbeit. Wir freuen uns, dass sie als Chefredaktorin der Wochenzeitung «Wirtschaft regional» weiterhin für die feministischen Anliegen einsteht. Karin Beck unterstützt uns seit dem 1. Juli auf der Geschäftsstelle.
Ich danke meinen Kolleginnen der Geschäftsstelle Karin Beck und Karin Zürcher für die gute Zusammenarbeit. Nur in einem gut funktionierenden Team ist diese anspruchsvolle Arbeit erst möglich. Vielen Dank auch an die Vorstandsfrauen, den infra-Anwältinnen Sabine Mohr-Egger, Martina Altmann, Daniela Narr und Michaela Beck, dem integra-Team und den vielen treuen Vereinsmitgliedern. Unsere Arbeit wäre nicht möglich ohne den Rückhalt und die Unterstützung unserer Mitglieder, vieler Institutionen, Organisationen, Ämter und Stiftungen. Vielen Dank an alle!
Petra Eichele, Geschäftsführerin