Internationales
Treffen der infra mit UNO-Hochkommissar Volker Türk
Die infra berichtete am 22. Januar beim Treffen mit dem UNO-Hochkommissar Volker Türk über ihre Erfahrungen aus dem Beratungsalltag und brachte ihre Anliegen vor. Die infra berichtete über die fehlenden gesetzlichen Grundlagen für Care-Migrant*innen, die in Liechtenstein 24h-Betreuung leisten. Im Kinderrechts- und Familienbereich wurden Scheidungs- und Obsorgekonflikte, die psychische Gesundheit und das Mobbing in den Schulen als grosse Herausforderungen angesehen. Eine fair bezahlte Elternzeit und weitere Modelle zur Entschädigung von Care- und Sorgearbeit sowie präventive Gewaltschutzmassnahmen und Gewaltberatungsangebote sehen die Organisationen als notwendig an. Zudem warten die Frauenorganisationen seit Jahren auf die Gleichstellungsstrategie, die auch von UNO-Gremien empfohlen wird. Das fehlende Anti-Diskriminierungsgesetz, ein subsidiärer Schutzstatus für Flüchtlinge und die kinderrechtskonforme Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden sind weitere bestehende Probleme, die gelöst werden müssen. Eine Psychiatrie im Inland sowie die Bekämpfung und Begleitung bei Sucht – auch in Verbindung mit Straffälligkeit – waren weitere Diskussionsthemen. Grosse Hoffnung setzen die NGOs in die soeben erfolgte Ratifikation der UNO-Behindertenrechtskonvention, die wichtige Impulse für die Behindertenpolitik setzt, z.B. bei Bildung, Arbeit und Wohnen, und dazu verpflichtet, Hindernisse bei der Zugänglichkeit zu Informationen abzubauen. Volker Türk bedankte sich für die engagierte Arbeit der NGOs für die Menschenrechte und erinnerte daran, wie wichtig Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für die Freiheit und Gleichheit der Menschen sind. Er ermutigte alle Organisationen, ihre Arbeit voranzutreiben und öffentlich zu machen, damit die Rechte aller Menschen gesichert bleiben.

Treffen liechtensteinischer NGOs mit UNO-Hochkommissar Volker Türk
NGO-Dialog
Auf Einladung des Amts für Auswärtige Angelegenheiten nahm die infra am NGO-Dialog vom 25. Juni teil. Ziel der Veranstaltung war, den NGOs ein Update zu geben, wie Liechtenstein mit den Empfehlungen der Universellen Periodischen Überprüfung der Menschenrechte des UNO-Menschenrechtsrats umgeht. Im Februar 2023 wurde der vierte Staatenbericht Liechtensteins im Rahmen der Überprüfung durch den UNO-Menschenrechtsrat mit den Erkenntnissen des letzten NGO-Dialogs veröffentlicht (siehe vierter Länderbericht, Anhang: Konsultationsprozess mit der Bevölkerung). Am 9. Mai 2023 fand ein interaktiver Dialog zwischen dem UNO-Menschenrechtsrat und der liechtensteinischen Delegation statt.
Die Antwort der liechtensteinischen Regierung auf die Empfehlungen, die während der vierten universellen Überprüfung durch den UNO-Menschenrechtsrat ausgesprochen wurden, finden sich in diesem Dokument. Gemäss diesem hat die liechtensteinische Regierung von 184 erhaltenen Empfehlungen 52 abgelehnt und die restlichen 132 angenommen. Viele davon sind für die Arbeit der infra relevant.
GREVIO-Evaluierungsbericht
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ist europaweit das erste verbindliche Rechtsinstrument zum umfassenden Schutz vor geschlechtsspezifischer sowie häuslicher Gewalt. Liechtenstein ist seit 2021 Vertragsstaat. Im Rahmen der ersten Überprüfung der Umsetzung der Konvention wurden Empfehlungen für Liechtenstein ausgesprochen. Die Istanbul-Konvention sieht vor, dass eine unabhängige Expertengruppe (GREVIO) die Umsetzung durch die Vertragsstaaten überprüft und einen Basis-Evaluierungsbericht erstellt. Auf Grundlage dieses Berichts verabschiedete der Ausschuss der Vertragsparteien am 31. Mai 13 Empfehlungen, die als besonders relevant eingestuft wurden. Verbesserungspotenzial wurde u.a. im Bereich der Datenerfassung festgestellt, insbesondere bei der Harmonisierung von Datenerfassungssystemen und der Vereinheitlichung von verwendeten Definitionen, aber auch die Durchführung regelmässiger Studien wird empfohlen. Weitere Empfehlungen betreffen den Ausbau von personellen und finanziellen Ressourcen sowie die Anwendung von Eilschutzanordnungen.
Fachaustausch Istanbul-Konvention
Am 20. September fand auf Einladung der Koordinierungsgruppe «Istanbul-Konvention» ein Fachaustausch zwischen Behörden und Nichtregierungsorganisationen statt. Am Treffen im Pfarreizentrum Schaan nahmen 21 Fachpersonen aus 17 Organisationen teil. Die infra wurde durch Petra Eichele vertreten. Im Zentrum standen die 13 Empfehlungen des Komitees der Vertragsparteien (vgl. vorangehender Text).
In Workshops konnten die Fachpersonen ihr Know-how zur Umsetzung von ausgewählten Empfehlungen einbringen. So ging es beispielsweise um die Grundlagen zur Erarbeitung eines Aktionsplans oder einer Strategie zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie um die Einführung einer landesweiten Telefonberatung für Gewaltopfer. Die Fachpersonen entwickelten wichtige Ansätze, die helfen werden, die Empfehlungen der Istanbul-Konvention umzusetzen.

Foto M. Zanghellini
16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Im Rahmen der Aktion «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» organisierte die infra zusammen mit dem Fachbereich für Chancengleichheit und dem Verein für Menschenrechte eine Filmvorführung des kanadischen Films «Backlash: Misogyny in the digital Age, the Impact of Cyberviolence». Der kanadische Film beleuchtet eindrücklich die wachsende Bedrohung durch digitalen Hass gegen Frauen und erzählt die Geschichten von Betroffenen, die mutig dagegen kämpfen. Im Anschluss an die Vorführung folgte eine Podiumsdiskussion mit Giulia Reimann und Jules Hoch zum Thema digitale Gewalt. Giulia Reimann – wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus in Bern – gab einen Überblick über aktuelle Forschungsprojekte und ihre Arbeit. Jules Hoch als Polizeichef der liechtensteinischen Landespolizei berichtete über die rechtlichen Rahmenbedingungen in Liechtenstein, mögliche Anlaufstellen sowie die polizeilichen Tätigkeiten.
Podiumsdiskussion
Eine weitere Veranstaltung im Rahmen von «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» organisierte das Frauenhaus Liechtenstein unter dem Titel: Wie gelingt der Ausstieg aus der Gewaltspirale? Louise Hill, Autorin des Buches «Teufelskreis: Mein bitteres Leben mit dem Zuckerbäcker», schilderte bewegend ihre 20 Jahre andauernde Leidenszeit. Sie beschrieb die psychische und physische Zermürbung, die systematische Zerstörung ihres Selbstwerts und die fehlende Unterstützung im Alltag. Erst durch das Eingreifen von Lehrpersonen und die Hilfe des Frauenhauses fand sie einen Weg aus der Gewalt. Das Niederschreiben ihrer Erlebnisse half ihr bei der Verarbeitung und ermutigte andere Frauen. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden gesellschaftliche und rechtliche Aspekte thematisiert. Institutionen wie die Bewährungshilfe und das Frauenhaus betonten die Bedeutung enger Zusammenarbeit und der Ratifizierung der Istanbul-Konvention. Die Diskussion verdeutlichte, dass häusliche Gewalt oft unsichtbar, aber lähmend ist. Gerade in einem kleinen Land wie Liechtenstein sei die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, besonders hoch. Annemarie Grünig vom Frauenhaus und Petra Eichele appellierten eindringlich an die Gesellschaft, nicht wegzusehen, sondern Hilfe anzubieten, denn: «Gewalt ist keine Privatsache, sondern betrifft uns alle».

Foto D. Schwendener
CEDAW-Schattenbericht
Das wichtigste internationale Instrument zur Gleichstellung von Frau und Mann ist das «Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau» (CEDAW). Das Übereinkommen wurde 1979 von der UNO verabschiedet. Liechtenstein trat 1995 bei. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle vier Jahre in einem Länderbericht Rechenschaft über die Umsetzung der Frauenkonvention abzulegen. In der Folge gibt der CEDAW-Ausschuss entsprechende Empfehlungen zur Verbesserung der Umsetzung ab. NGOs wie die infra können mittels eines Schattenberichts zusätzliche Informationen und einen anderen Blickwinkel zu den offiziellen Länderberichten einbringen.
Ende Dezember reichten 10 NGOs, darunter auch die infra, den Schattenbericht zum 6. Staatenbericht Liechtensteins unter der CEDAW-Konvention ein. Der Schattenbericht beleuchtet Erfolge und Herausforderungen in der Gleichstellung von Frauen. Positive Entwicklungen wie die geplante Elternzeit ab 2026 und die Ratifizierung der Istanbul-Konvention stehen im Kontrast zu Defiziten, z.B. bei genderspezifischen Daten, Care-Arbeit oder Lohnungleichheit. Die Autorenschaft fordert unter anderem gesetzliche Reformen, stärkere Ressourcen im Gleichstellungsbereich und nachhaltige Präventionsstrategien gegen Gewalt.